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Am 1. Januar 2003 ist in NRW ein neues Hundegesetz in Kraft getreten. Die wesentliche Änderung im Vergleich zur alten Landeshundeverordnung: Die Liste ist von vorher insgesamt 42 Rassen verteilt auf Liste 1 (13 Rassen) und Liste 2 (29 Rassen) geschrumpft auf nunmehr 14 Rassen, weiterhin verteilt auf zwei Listen. Und wie eine bahnbrechende Neuerung verkünden uns wieder einmal die Zeitungen, daß nun endlich eine Leinenpflicht besteht: "Künftig müssen alle Hunde innerhalb von Ortschaften in Fußgängerzonen, Straßen, Parks, öffentlichen Gebäuden, bei Veranstaltungen und auf Kinderspielplätzen an der Leine geführt werden" (WAZ, Nr. 296, 19. Dezember 2002). Tatsächlich ist die in der Entwurfsfassung zu einem neuen Landeshundegesetz NRW enthaltene, sehr umstrittene Verschärfung der Anleinpflicht zurückgenommen worden. In der Entwurfsfassung vom 5. März 2002 hieß es: "Große Hunde sind außerhalb eines befriedeten Besitztums auf öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen angeleint zu führen. § 5 Abs. 2 Satz 2 gilt entsprechend."
Laut § 5, Abs. 2, hieß es dort weiter, gehöre Folgendes zu den Pflichten des Hundeshalters:
Was fehlte, war ein winziger, aber entscheidender Zusatz, der in der alten Hundeverordnung enthalten war und nun auch in das neue Hundegesetz aufgenommen wurde. Hunde über 40 cm und 20 kg durften laut § 3, Abs. 4 Landeshundeverordnung NRW vom 30. Juni 2000 "innerhalb im Zusammenhang bebauter Ortsteile auf öffentlichten Straßen und Plätzen sowie in öffentlichen Verkehrsmitteln nur angeleint geführt werden". Außerhalb "im Zusammenhang bebauter Ortsteile" bestand demnach keine Anleinpflicht. Was genau diese Formulierung bedeuten sollte, wurde folgendermaßen erläutert: "Der Begriff 'im Zusammenhang bebauter Ortsteile'wurde in Anlehnung an § 34 des Baugesetzbuches in die LHV NRW aufgenommen, da insoweit eine durch Rechtsprechung hinreichend konkretisierte Definition besteht. [...] Bei der Beurteilung des tatsächlichen Bebauungszusammenhangs ist maßgebend, inwieweit eine aufeinanderfolgende Bebauung auch unter Berücksichtigung von Baulücken und Freiflächen den Eindruck der Geschlossenheit vermittelt. Letztlich kommt es dabei auf die allgemeine Verkehrsauffassung an. In der Regel kann auch der Laie bei verständiger Betrachtung ein Gebiet als 'im Zusammenhang bebaut' erkennen." (LHV NRW, II. Besonderer Teil, 3.4.2.) In einer Äußerung von Reiner Priggen, dokumentiert im Plenarprotokoll zum Gesetzentwurf, klingt das parteipolitische Hickhack an, in dem sich die Diskussion und Entscheidung über die zusätzliche Verschärfung der Anleinpflicht entwickelte: "Wir haben eine Regelung zur Leinenpflicht für größere Hunde vorgesehen; damit wurde über den Vorschlag, den wir Grüne eingebracht haben, hinausgegangen. Wir hatten vorgeschlagen, die Anleinpflicht nur innerhalb im Zusammenhang bebauter Ortsteile aufzunehmen, so, wie es in der Verordnung bereits geregelt ist. (Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD) Auf Wunsch der SPD-Fraktion wurde diese Regelung weiter ausgedehnt; d. h. die Einschränkung wurde gestrichen. Wir hören jetzt sehr deutliche Kritik. Wir als Grüne kehrten gern zu der Regelung, die vorher in der Verordnung enthalten war, zurück. Damit bestünde eine Anleinpflicht nur innerhalb im Zusammenhang bebauter Ortsteile, während derjenige, der mit seinem Hund auf Feld- und Waldwege geht und mit ihm vernünftig umgeht, den Hund dort laufen lassen kann, weil anderenfalls aus unserer Sicht die Einschränkung sehr stark wäre." (Plenarprotokoll: Gesetzentwurf der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucksache 13/2387, erste Lesung) Was genau hinter den Kulissen passiert ist, wie also die tierschutzrelevante Verschärfung der Anleinpflicht in den Gesetzentwurf hinein und schließlich wieder heraus fand - wir wissen es nicht... Daß die zahlreichen Hirtenhunderassen vom türkischen Akbas bis zum jugoslawischen Tornjak nun nicht mehr auf der Liste 2 stehen, macht für die Länge der Liste den entscheidenden Unterschied. Alle Hunde, die vom Stichtag an nicht mehr gelistet sind, fallen automatisch unter die Regelungen für Hunde über 40 cm Körpergröße und 20 kg Körpergewicht, für die Haftpflichtversicherung, Chip und Sachkundenachweis verpflichtend sind. Grund zur Freude, auf der einen Seite. Auf der anderen Seite wünschen wir uns weiterhin eine wissenschaftlich fundierte Begründung, die die Diffamierung und Rehabilitierung einzelner Rassen nachvollziehbar macht, und dies über die Beliebigkeit vermuteter Gefährlichkeit hinaus. Rassen erscheinen auf der Liste, Rassen verschwinden von der Liste. Hat die Anzahl der Beißunfälle bei den nicht mehr gelisteten Rassen abgenommen? Wie steht es um die Rassen, die von Liste 1 verschwanden, um auf Liste 2 wieder aufzutauchen? Gab es überhaupt Statistiken, denen zuverlässige Informationen über eine tatsächliche gesteigerte Gefahr zu entnehmen war, die von diesen speziellen Rassen im Vergleich zu anderen Rassen in den letzten Jahren oder Jahrzehnten ausgegangen war? Wir wissen es nicht... Um keine Mißverständnisse aufkommen zu lassen: Wir sind nicht der Ansicht, daß alle Hundehalter und alle Hunderassen gleichermaßen zueinander passen. Die Hunderasse sollte achtsam ausgewählt werden, ebenso wie wir unsere eigene Persönlichkeit, unsere finanziellen Reserven, unser Zeitbudget und unsere Motivation mit Sorgfalt prüfen sollten, ehe wir die Verantwortung für ein Lebewesen übernehmen, dessen körperliche und seelische Unversehrtheit zu hundert Prozent von der Belastbarkeit unserer Zuneigung abhängig ist. Unsere vielfältigen Hunderassen, ihre faszinierenden Charaktere und beeindruckenden Fähigkeiten entstanden durch lange Spezialisierungs- und Anpassungsprozesse, für die wir Menschen verantwortlich zeichnen. Gleichzeitig variieren die individuellen Charaktereigenschaften unserer Haushunde auch dann in hohem Maße, wenn sie derselben Rasse angehören. Hier tragen wir Züchter große Verantwortung. In unseren Händen liegt es, daß unsere Welpen mit den nötigen, vielfältigen Erfahrungen mutig in die Welt gehen können. Wir Züchter geben ihnen das Vertrauen, mit dem sie die Trennung verwinden und sich in fremder Umgebung zurecht finden können. Und schließlich entscheiden wir nach bestem Wissen und Gewissen, in welche Hände wir unsere Welpen vermitteln, auch wenn wir die Verantwortung für ihre Zukunft nicht auf uns allein nehmen können und dürfen. Soviel wir davon wissen und davon erzählen möchten, ist es doch unsere Pflicht, unseren Welpenkäufern nicht nur von den guten Seiten und Zeiten der Hundehaltung zu reden. Wir müssen sachlich informieren, wir müssen aufklären über die Tragweite der Entscheidung und der Verantwortung, und wir müssen unseren Welpen und ihren neuen Familien auch später noch beratend zur Seite zu stehen. Und manchmal, so schwer das menschlich und manchmal auch organisatorisch und finanziell sein mag, müssen wir einem Interessenten eine Absage erteilen, zu seinem Wohl, zu unserem Wohl und vor allem zum Wohl unserer Welpen. Ehe Sie einen Hund, sei er jung oder alt, klein oder groß und egal welcher Rasse, mit sich nach Hause nehmen, machen Sie sich bitte die Mühe, informieren Sie sich ausführlich über seine Bedürfnisse und vor allem, prüfen Sie Ihre eigenen Wünsche und Möglichkeiten! Ihr Hund wird Sie brauchen, Ihren Sachverstand und Ihre Zuneigung, vom ersten bis zum letzten Tag. Keine Hundeverordnung kann uns diese Verantwortung abnehmen.
Beschlussempfehlung und Bericht, Drucksache 13/3306, 3. Dezember 2002
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"In der abschließenden Gesamtabstimmung wurde der Gesetzentwurf der Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 13/2387 - in der vom Ausschuss geänderten Fassung mit den Stimmen der Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Abwesenheit der Fraktionen von CDU und FDP angenommen."
"§ 18 Einschränkung von Grundrechten
§ 18 wurde unverändert aus der alten Hundeverordnung übernommen.
Auf Ihren Besuch freuen sich unsere "Quecksilber-Bande" sowie
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